4.Februar - 4.März 2023
Yves Bélorgey/ Robert Haiss
Bitte die Tür von Hand schließen.
Eine höfliche Aufforderung beinhaltet der Titel der Ausstellung von
Yves Bélorgey und Robert Haiss. Der Satz lädt zu Vermutungen
ein, verweist auf einen (Tür) Zustand, bittet den Nutzer um eine
Handlung. Auch markiert er einen Übergang vom dem privaten in
den öffentlichen Raum - und vice versa.
Stellen wir ein paar Vermutungen an. In der Ausstellung begegnen
uns Zeichnungen, die im gemeinsamen Austausch von Yves
Bélorgey und Robert Haiss mit dem urbanen Raum entstanden
sind. Anhand ihrer Arbeiten bewegen wir uns durch den Stadtraum
Kölns, begegnen zwischen spontanen Skizzen und detailreichen
Darstellungen ihren Eindrücken und unseren Erinnerungen.
Es bedarf keiner Bitte - wir öffnen die Tür und freuen uns auf
Ihren Besuch. Martin Bohn +Partner
Zur Ausstellung erscheint ein Leporello als Künstler-Edition
in 100 Exemplaren.
Unser Dank gilt im Besonderen der Kunsthistorikerin Bettina Haiss.
Sie hat uns mit ihrem folgenden Text zur Ausstellung eine wichtige Tür
geöffnet:
Yves Bélorgey
Robert Haiss
Bitte die Tür von Hand schließen.
Der enge Austausch zwischen Yves Bélorgey (1960) und Robert Haiss (1960) und ihre eingehende Auseinandersetzung mit Köln liegt den hier gezeigten Zeichnungen zugrunde. Als Ort, der den Anfang ihrer Freundschaft in den 1980er Jahren markiert, als sich Bélorgey im Rahmen eines Stipendiums des Deutsch-Französischen Jugendwerks in der Stadt aufhielt, bildet die Rheinmetropole seit jeher einen Ausgangspunkt für gemeinsame Besichtigungen und Gespräche.
Ein verschärftes Augenmerk richtet der in Montreuil bei Paris lebende Yves Bélorgey auf Architektur und städtebauliche Gefüge. Seine programmatische Vorgehensweise nimmt sich eines Sujets – etwa eine Straße, ein Gebäudekomplex, ein Siedlungsprojekt, eine Parkanlage – zur dokumentarischen Erfassung und thematischen Ausarbeitung an. Bélorgeys Motivrepertoire besteht aus Orten, die Spuren des Menschen und seiner Lebenswelt aufzeigen und archivieren. Mittels einer stilisierenden (Schablonen-)technik in Graphit und jüngst durch kleinteilige, gepunktete und gestrichelte Setzungen in Tusche bringt er diese urbanen Strukturen modellhaft zur Anschauung. Sie treten als Manifestationen einer maroden modernistischen Utopie sozialen Bauens in den Vordergrund.
Für den in Köln ansässigen Robert Haiss, der seine Motive oft in zahlreichen Varianten umkreist, bildet das Vorgefundene die Grundlage für Verwandlungsmomente: Die Verschiebungen des Blicks gehen mit Veränderungen des Gegenstands einher, der bisweilen ganz aus dem Blickfeld verschwindet. Die eigene Haustür bezeichnet den Anfang der täglichen Strecke ins Atelier; der Weg dahin wird zum selbst gesteckten Rahmen für die Motivsuche. Die völlige Freiheit, innerhalb dieses begrenzten Bewegungsradius anzuhalten oder weiterzuziehen schlägt sich in der mal flüchtigen, mal fixierenden Strichführung nieder. Einzelne aufgespürte Gegenstände werden mal in mehreren Ansichten nahezu akribisch aufgefächert, mal werden sie en passant aufgenommen. Sie erlangen dann als bloße Andeutung auf dem Papier eine schemenhafte, aus der ortsspezifischen Anbindung gelöste Gestalt. Haiss entfernt sich immer weiter von der rein objektiven Bestandsaufnahme, um poetischen, subjektiven Weiterentwicklungen eines ursprünglichen Motivs oder einer Bildidee nachzugehen.
Weniger als Gemeinschaftsarbeit im strengen Sinne als eine offene Zusammenführung eigenständiger Ideen und Impressionen vermitteln die Werke unterschiedliche künstlerische Methoden der Erschließung und Ergründung des Stadtraums. Als ausschnitthafte Annäherungen an unmittelbar vorgefundene Situationen – Begegnungen auf Spaziergängen – bewegen sich die Stadtbilder von Yves Bélorgey und Robert Haiss im spannungsvollen Wechsel zwischen beiläufiger Beobachtung und konzentrierter Studie, spontaner Skizze und geplanter Komposition. Eine Korrespondenz in Bildern, umkreist das Konvolut der Blätter in verschiedenen Bildsprachen und Formaten – vom Notizzettel bis zum wandfüllenden Papierbogen – den gemeinsamen Betrachtungsgegenstand. Keine narrativen Sequenzen geben eine starre Reihenfolge vor, stattdessen gewähren die eingefangenen Eindrücke dem Betrachter Raum zur freien Erkundung. Man selbst ist unterwegs, geht und bleibt stehen, verweilt auf dem Gelände in Umbruch rund um den Alten Güterbahnhof in Ehrenfeld, streift Szenerien des Stadtgartens, betritt das traditionsreiche Café Wahlen... (Bettina Haiss)